aus: "Sterne und Weltraum" 36-7 (1997), S.579

Die Meteorströme des Jahres 1996


Während sich die Arbeit der VdS-Fachgruppe Meteore auf den Betrieb und die Wartung der Kamerastationen des European Fireball Network konzentriert, befassen sich die Amateure im Arbeitskreis Meteore e.V. (AKM) hauptsächlich mit der visuellen Beobachtung von Sternschnuppen, dem Einsatz von Videotechnik und der Meteorfotografie. Der AKM organisiert neben einer finnischen Gruppe das weltweit einzige Netz von Halobeobachtern, die Sektion Halobeobachtung (SHB). Seit kurzem werden auch regelmäßig leuchtende Nachtwolken (NLC) und Polarlichter erfaßt und analysiert. Nicht zuletzt wird vom Arbeitskreis Meteore die VdS-Fachgruppe Atmosphärische Phänomene betreut.
Im Jahre 1996 registrierten 32 Beobachter in 409 Stunden effektiver Beobachtungszeit insgesamt 9690 Meteore . Bis auf die Quadrantiden konnten alle großen und mittleren Meteorströme verfolgt werden. Zu besonderen Ereignissen wurden kurzfristige Expeditionen durchgeführt, im Sommer gab es zwei Beobachtungslager.
Dieser Artikel gibt einen Überblick über unsere Aktivitäten. Er beschreibt die beobachteten Besonderheiten und stellt die wichtigsten Ergebnisse vor. Es soll gezeigt werden, welchen Wert visuelle Meteorbeobachtungen noch heute in der Untersuchung der interplanetaren Kleinstkörper besitzen.

Einleitung

Die Meteorbeobachtung scheint auf den ersten Blick ein lukratives Betätigungsfeld für Amateurastronomen zu sein. Sporadische Meteore treten mit einer variablen Häufigkeit in der Größenordnung von zehn Sternschnuppen pro Stunde (unter guten Sichtbedingungen) in jeder Nacht auf. Im Meteor Shower Calendar der International Meteor Organization (IMO) findet man eine Liste von über zwanzig bekannten Meteorströmen, die im Laufe des Jahres aktiv sind. Hinzu kommt eine Vielzahl kleiner Ströme, die unterhalb der sporadischen Aktivität kaum von einem visuellen Beobachter wahrgenommen werden können.
Die Zahl der Nächte mit bedeutender Meteoraktivität ist trotzdem gering. Von den drei in Mitteleuropa sichtbaren großen Meteorströmen, die stündliche Zenitraten bis zu 100 und darüber erzeugen können (Quadrantiden, Perseiden, Geminiden), sind nur die Perseiden und Geminiden über mehrere Tage hinweg aktiv [1]. Die Quadrantiden besitzen ein sehr spitzes Aktivitätsprofil, so daß ihre Rate schon einen Tag nach dem Maximum unter das sporadische Niveau sinkt. Fällt das Maximum auf die europäischen Tagesstunden, können Beobachter in Amerika oder Japan ein regelrechtes 'Meteorfeuerwerk' vermelden, während die europäischen Beobachter in der Nacht davor und danach unter Umständen nur minimale Aktivität verzeichnen.
Befindet sich der Radiant unter dem Horizont, so bleibt ein Meteorstrom ebenfalls nahezu unsichtbar. Viele Radianten erreichen erst nach Mitternacht eine ausreichende Höhe (>20 Grad). Fällt das Maximum eines solchen Stroms in die Abendstunden, so kann es den Beobachtern trotz Dunkelheit völlig verborgen bleiben.
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist der Mond. Wenn der Erdtrabant über dem Horizont steht, sinkt die visuelle Grenzgröße im allgemeinen um etwa eine Größenklasse. Abhängig vom Populationsindex des Stroms registriert der Beobachter nur noch zwischen zwanzig und fünfzig Prozent der Sternschnuppen, die er bei mondlosem Himmel sehen würde. Aus diesem Grund wird bei Mondschein nur dann beobachtet, wenn besonders wichtige Ereignisse anstehen.
Sollten einmal alle äußeren Umstände für eine hohe Aktivität sprechen, also das Maximum eines starken Meteorstroms auf unsere Nachtstunden fallen, der Mond nicht stören und der Radiant ausreichend hoch über dem Horizont stehen, dann ist es in Mitteleuropa bestimmt weiträumig bedeckt.
Man sieht also, daß ein Meteorbeobachter viel Geduld und Reiselust aufbringen muß, wenn er neben der Routinebeobachtung kleinerer Ströme auch die ganz großen Ereignisse miterleben möchte.

Die Meteorströme des Jahres 1996

Die Konstellation von Meteorstrommaxima und Mondphase war 1996 nahezu optimal. Viele der großen Ströme fielen in die Zeit um den Neumond. Außerdem sollten einige der Maxima in den europäischen Nachtstunden auftreten.

Die ersten Monate des Jahres stellten jedoch eine lange Durststrecke dar. Der einzige markante Strom, die Quadrantiden, fiel genau auf die Vollmondzeit. Hinzu kam, daß ganz Mitteleuropa wie so oft in den ersten Januartagen unter einer geschlossenen Wolkendecke lag. Aus diesem Grund konnte von AKM-Mitgliedern keine einzige Beobachtung gewonnen werden. Das ist schade, denn unser Wissen über die Quadrantiden ist (wie für die meisten Meteorströme) noch immer lückenhaft. Obwohl sie im Maximum eine höhere Aktivität als die Perseiden zeigen können, sind bei eisiger Januarkälte nur wenige Beobachter bereit, einige Stunden bewegungslos unter klarem Himmel zu verbringen. Sehr präzise Ergebnisse lieferten die Beobachtungen des Jahres 1992, in denen das Maximum unter guten Bedingungen in Mitteleuropa verfolgt werden konnte [2].

Bis zu den Lyriden im April gab es außer dem schwachen ekliptikalen Strom der Virginiden überhaupt keine nennenswerte Meteoraktivität. Die Zahl der sporadischen Meteore erreichte ihr jährliches Minimum und das Wetter war häufig sehr unwirtlich.
Das Ende der langen Wartezeit wurde durch das Seminar des AKM eingeläutet, das traditionell an einem Wochenende im März stattfand. 1996 trafen sich über dreißig Beobachter in Mötzow bei Brandenburg und tauschten sich über die Ergebnisse des letzten Jahres aus (siehe [3]). Man besprach aktuelle Vorhaben und zukünftige Planungen, alte Kontakte wurden gepflegt und neue Bekanntschaften geschlossen.


Abbildung 1: Seit Frühjahr 1996 stehen im AKM sechs identische Videosysteme der zweiten Generation zur Meteorbeobachtung zur Verfügung. Das Bild zeigt eine der von Mirko Nitschke entwickelten Kameras, die beim AKM-Seminar vorgestellt und an die Beobachter übergeben wurden.

[Abbildung 1]

Die Lyriden brachten für viele von uns die erste Meteorbeobachtung des Jahres. Zur Maximumszeit konnten etliche Beobachter trotz teils dunstigem Himmel den Anstieg der Aktivität gut verfolgen. So trafen sich fünf Beobachter am 21./22. April auf einem Grundstück in Golm (bei Potsdam), auch ein Videosystem kam dort zum Einsatz. Die Lyriden, die in Ausnahmefällen eine ZHR von bis zu 100 erreichen können, bescherten den Beobachtern maximale Zenitraten von knapp 20. In der Folgenacht war die Aktivität bereits wieder auf ein Niveau von etwa 10 gefallen [4].

Je näher der Sommer kam, desto angenehmer wurden die äußeren Beobachtungsbedingungen. Die kürzer werdenden Nächte sorgten jedoch auch dafür, daß die Zahl der brauchbaren Nachtstunden schnell abnahm.
Anfang Mai ist die Zeit der eta-Aquariden. Es handelt sich um einen der Meteorströme, die vom Kometen Halley erzeugt werden. Im Gegensatz zu den Orioniden im Oktober, dem zweiten mit 1P/Halley assoziierten Strom, sind die Aquariden in unseren Breiten nicht zu beobachten. Ihr Radiant steigt in Mitteleuropa erst in der Morgendämmerung über den Horizont. Trotzdem gehören auch sie zu den großen Meteorströmen - die ZHR kann im Maximum 80 übersteigen. Für 1997 planen einige AKM-Mitglieder eine Reise gen Süden, um bei besseren Radiantenhöhen und freundlichem Wetter einen Eindruck von den eta-Aquariden zu gewinnen.

Der Sommer wird bekanntlich von den Perseiden dominiert. Die Ferienzeit, laue Augustnächte und eine über mehrere Tage andauernde hohe Rate haben diesen Strom nicht durch Zufall zum bekanntesten und am häufigsten observierten Vertreter seiner Art gemacht. Bevor die Aktivitäten jedoch ihr jährliches Augustmaximum erreichen sollte, standen im Juli eine Vielzahl kleinerer Ströme auf dem Beobachtungsprogramm. Sie waren das Ziel der Radebeuler Sternfreunde, die jedes Jahr eine mehrwöchige Meteorexkursion zur Lausche unternehmen. Auf dem 750 m hohen Gipfel im Zittauer Gebirge herrschen optimale Bedingungen zur Meteorbeobachtung. Auch 1996 versammelte sich wieder eine große Gruppe Meteorgucker und Sternfreunde ganz am südöstlichen Zipfel unseres Landes. Das Wetter war überwiegend schlecht, so daß nur in neun Nächten teilweise beobachtet werden. Die gute Stimmung im Lager konnte davon jedoch nicht gedrückt werden.

Dann kam die Zeit der Perseiden. Über lange Jahre hinweg glaubte man, diesen Strom aufgrund des umfangreichen Datenmaterials bestens zu kennen. Die Überraschung folgte, als 1988 im Rahmen der globalen Auswertungen der IMO zum ersten Mal von ein Doppelmaximum berichtet wurde [5]. Was in den Folgejahren noch kontrovers als mögliche statistische Schwankung diskutiert wurde, manifestierte sich in einem regelrechten Ausbruch, den japanische Beobachter 1991 registrierten [6]. Mit Zenitraten bis zu 350 hatte das neue Peak das reguläre Maximum um einen Faktor drei bis vier übertroffen. Nur wenige Monate nach dieser Ankündigung wurde schließlich 109P/Swift-Tuttle, der Erzeugerkomet der Perseiden, wiedergefunden.
Auch in den folgenden Jahren konnte das Vormaximum bei langsam nachlassender Aktivität beobachtet werden. 1993 waren es die europäischen Beobachter, die in den Morgenstunden das 12. August hunderte Meteore und viele Feuerkugeln zu Gesicht bekamen - ein Ereignis, das allen Beteiligten sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben wird.


Abbildung 2: Dieser -3 mag helle Perseid leuchtete am 11. August 1996 um 00:17 UT auf. Er konnte von Jürgen Rendtel mit einer f/1.8, 50 mm Optik auf Kodak Ektapress 1600 festgehalten werden.

[Abbildung 2]
Für 1996 waren die Vorhersagen optimal. Das Vormaximum (bzw. das, was davon noch geblieben sein sollte) fiel in die europäischen Nachtstunden zwei Tage vor Neumond. Eine Gruppe von sechs Meteorbeobachtern schlug ihr Sommerlager für eine Woche in Ketzür, fünfzig Kilometer westlich von Berlin, auf. Von hier aus sollten nicht nur visuelle Beobachtungen vorgenommen werden, es waren auch parallele Videobeobachtungen mit einer weiteren Gruppe von vier Beobachtern in Golm vorgesehen. Parallaxenbeobachtungen haben einen besonderen Wert, weil man mit ihrer Hilfe neben der scheinbaren Bahn einer Sternschnuppe am Himmel auch den räumlichen Flug des Meteorkörpers durch die Erdatmosphäre bestimmen kann. Aus der Flugbahn ergibt sich der heliozentrische Orbit des Teilchens, bevor es mit der Erde kollidierte. Daraus läßt sich wiederum die Materieverteilung im interplanetaren Raum statistisch ableiten.
Leider verschlechterte sich das Wetter mit näherkommendem Perseidenmaximum zusehends. Schließlich zeichnete sich ab, daß eine Wetterfront Deutschland von Südwesten überqueren würde. Während also der größte Teil der Meteorgucker nur darauf hoffen konnte, hinter der Front ein größeres Wolkenloch anzutreffen, stiegen elf von ihnen in die Autos und fuhren nach Nordosten. Während die einen am Oderhaff halt machen und in den Abendstunden doch noch von den Wolken erreicht wurden, überquerte eine zweite Gruppe die Grenze nach Polen und genoß sechzig Kilometer weiter westlich durchweg klaren Himmel.

Abbildung 3: Bleibt es klar oder ziehen die Wolken doch noch auf? Eine kleine Gruppe von Beob- achtern ist am 11. August 1996 bis an das Oderhaff gefahren, um das Perseidenmaximum zu beob- achten. Leider fuhren sie nicht weit genug...

[Abbildung 3]
Was konnten sie später berichten? Während die Aktivität für den größten Teil der Nacht ein durchschnittliches Vormaximumsniveau von ZHR ~60 aufwies, stieg die Rate für etwa eine Stunde auf den doppelten Wert an [7]. Begleitet wurde das Peak von mehreren kurz aufeinanderfolgenden Feuerkugeln. Das seit 1988 beobachtete Vormaximum konnte also auch 1996 registriert werden, wobei seine Aktivität in Übereinstimmung mit den Vorhersagen [8] weiter nachgelassen hatte. Es ist zu vermuten, daß es in zwei bis drei Jahren endgültig verschwunden ist.
In den Folgetagen war das Wetter durchwachsen und regnerisch, in einigen klaren Stunden konnten dann aber doch die ersten parallelen Videobeobachtungen im Rahmen des AKM gewonnen werden. Die vier Videosysteme, die insgesamt zum Einsatz kamen, erfaßten zusammen über 1.000 Meteore. Von etwa 200 davon liegen parallele Aufzeichnungen vor.

Der Herbst wird für die Meteorbeobachter von Jahr zu Jahr interessanter. Zwar ist nicht jedes Jahr ein Ereignis wie der Ausbruch der alpha-Monocerotiden 1995 zu sehen [9], dafür rückt der Termin für den nächsten Meteorsturm der Leoniden unaufhaltsam näher. Hinzu kommt, daß im September traditionell die International Meteor Conference (IMC) stattfindet. Dieses von der IMO veranstaltete Treffen führt die Meteorbeobachter der verschiedenen nationalen Vereinigungen zusammen. Es werden aktuelle Ergebnisse vorgestellt, Beobachtungsprogramme international abgestimmt und persönliche Kontakte gepflegt und vertieft. 1996 trafen sich die Amateure anläßlich des 50. Geburtstags der holländischen Amateurastronomenvereinigung in Apeldoorn/Niederlande [10]. Seitens des AKM nahmen mehr als zehn Beobachter teil.

Im Oktober standen die Orioniden auf dem Beobachtungsprogramm. Ihre maximale Rate ist variabel, mit einem Mittel von ZHR ~20 jedoch deutlich geringer als die der eta-Aquariden. Das liegt daran, daß die Staubteilchen des Kometen Halley im Oktober erst nach Bahnstörungen durch die großen Planeten die Erdbahn kreuzen. Dafür sind die Nächte länger als im Mai. Die Wintersternbilder stehen am Himmel, ohne daß bereits mit Frost zu rechnen ist.
Leider war das Wetter 1996 bei teilweise störendem Mond (vier Tage vor Vollmond) der Beobachtung nicht sehr zuträglich. So waren nur zwei Beobachter in der Maximumszeit aktiv. Sie konnten teilweise relativ hohe Zenitraten zwischen 30 und 40 registrieren, die angestrebten Videoparallelbeobachtungen kamen jedoch nicht zustande.

Die Leoniden fielen einen Monat später auf eine fast mondfreie Zeit. Nachdem ihre Aktivität 1994 zu ersten Mal merklich über dem Durchschnitt der Vorjahre lag [11], blieb sie im darauffolgenden Jahr mit ZHR ~30 deutlich hinter den Erwartungen zurück. Daher waren alle auf einen möglichen weiteren Anstieg der Rate 1996 gespannt. Immerhin könnte sich 1998 oder 1999 ein Ausbruch zeigen, der in seiner Intensität alles bisher im AKM Beobachtete in den Schatten stellt. Zwar wird sich das Ereignis von 1966 nach jüngsten Berechnungen nicht wiederholen - damals wurden beim stärksten Meteorsturm in der Geschichte der Meteorbeobachtung kurzzeitig equivalente Zenitraten oberhalb von 100.000 registriert (etwa 40 Meteore pro Sekunde!) - die meisten Beobachter wären jedoch glücklich, einmal in ihrem Leben eine Aktivität jenseits von 1.000 zu erleben. Dafür sind die Aussichten in den kommenden Jahren gut. Sollte der Ausbruch bereits 1998 stattfinden, wären Beobachter in Sibirien bevorzugt. 1999 würde er hingegen in die europäischen Nachtstunden fallen.


Abbildung 4: Strombild der Leoniden: Mit dem Videosystem MOVIE (vorgestellt in [15]) wurde am 17/18. November 1995 in der Nähe von Königslutter das Maximum der Leoniden beobachtet. Das Gesichtsfeldzentrum der Kamera lag zwischen Orion und den Zwillingen, der Durchmesser betrug 60 Grad. Die Videobänder wurden manuell gesichtet, anschließend wurden die Meteore computergestützt vermessen. Das Bild zeigt eine Überlagerung der Strommeteore, die in der Zeit von 23:45 bis 1:30 UT aufgezeichnet wurden.

[Abbildung 4]
Leider ist der November für sein schlechtes Wetter bekannt. So verwundert es nicht, daß die meisten Meteorbeobachter zu den Leoniden '96 auf Reisen gehen mußten. Diesmal verschlug es eine Gruppe von fünf Beobachtern nach Norden. Nachdem selbst in Hamburg alles bewölkt war, fand man schließlich kurz vor Flensburg sternenklaren Himmel. Während die Beobachtung hier bereits nach etwa einer Stunde durch aufziehende Wolken beendet wurde, genossen die Lübecker Meteorgucker weitgehend klaren Himmel. In der Morgendämmerung wurden aber auch die Reiselustigen noch einmal mit einem größeren Wolkenloch belohnt. Die Zenitrate war auf einen Wert nahe 50 angestiegen. Etwa die Hälfte der beobachteten Leoniden hinterließen das für schnelle Meteorströme typische Nachleuchten. Besonders beeindruckte der große Anteil von Meteoren mit negativer Helligkeit, auch Feuerkugeln blieben nicht aus.
Die vorläufigen internationalen Auswertungen zeigen, daß die Aktivität der Leoniden wirklich im Steigen begriffen ist [12]. Einige Beobachter berichteten, daß sich die Rate am 17. November gegen 5:00 UT kurzzeitig verdoppelte. Dieser Zeitpunkt ist mit der nächsten Annäherung der Erde an den Knoten der Kometenbahn nahezu identisch. Möglicherweise deutet sich hier bereits die 'Meteorsturmkomponente' der kommenden Jahre an.


Abbildungen 5a-5c: Volker Gerhardt von der Wilhelm-Foerster-Sternwarte Berlin wurde während seines Astrourlaubs in Teneriffa Zeuge eines besonderen Ereignisses: Am 17. November 1996, während des Maximums der Leoniden, sichtete er gegen 1:40 UT eine Feuerkugel von Vollmondhelligkeit, die zwei Blitze erzeugte und in mehrere Teile zerbrach. Sie hinterließ ein Nachleuchten, das visuell für außergewöhnlich lange 30 Minuten sichtbar blieb. Fotografisch konnte es sogar eine Stunde lang verfolgt werden. Die drei in der Zeit entstandenen Aufnahmen zeigen, wie das Nachleuchten durch starke Winde in der Hochatmosphäre verformt wurde. Sie entstanden mit einer f/1.2, 50 mm Optik um 1:45 UT (5 min belichtet), 1:50 UT und 2:30 UT (jeweils 10 min belichtet) auf Fujichrome Provia 1600.

[Abbildungen 5a-c]

Den Jahresabschluß bildeten schließlich die Geminiden und die Ursiden im Dezember. Erstere sorgten noch einmal für einen kräftigen Paukenschlag. Es ist nur wenigen Amateuren bekannt, daß die Geminiden der stärkste jährlich wiederkehrende Meteorstrom sind. Vor allem auf Grund des häufig schlechten Wetters und der unwirtlichen Bedingungen genießen sie jedoch bei weitem nicht die Popularität wie die Perseiden, obwohl ihr Maximum ähnlich lange dauert. Auch für diesen Strom waren die Bedingungen 1996 sehr gut. Die schmale Mondsichel hatte zum Maximum ein Alter von drei Tagen, sie ging also bereits früh am Abend unter. Wie häufig bei solch optimalen Umständen war das Wetter um so schlechter: Sonne und Sterne wurden vielerorten Tage vor dem Maximum das letzte mal gesehen. Zufällig überquerte jedoch gerade in der Maximumsnacht eine arktische Kaltfront Norddeutschland von Nordwesten, so daß wenigstens dort mit Aufklaren gerechnet werden konnte. Zwei Beobachter aus dem Berliner Raum setzten sich nach langer Beratung mit Meteorologen und Wetterstationen ins Auto und fuhren der Front entgegen. Kurz hinter Wittenberge klarte es auf, ein geeigneter Beobachtungsplatz war schnell gefunden. In Windeseile wurde der Stromgenerator angeworfen, zwei Videosysteme installiert und mit der Beobachtung begonnen. Die Aktivität war phantastisch: Bei durchweg guten Sichtbedingungen konnten über 100 Meteore pro Stunde gezählt werden. Die Zenitrate war deutlich höher als bei üblichen Perseidenmaxima und nahm erst in den Morgenstunden etwas ab. Die Auswertung am nächsten Tag zeigte, daß die Beobachter in fünf bis sechs Stunden Beobachtungszeit an die 650 Sternschnuppen gesichtet hatten, was selbst ihre 'Rekordbeobachtungen' des Perseidenmaximums von 1993 übertraf [13]. Die ZHR betrug zum Beobachtungsbeginn 120, das eigentliche Geminidenmaximum erbrachte eine Stunde eher sogar Zenitraten von etwa 130. Mit einer schönen Feuerkugel verabschiedete sich der letzte große Meteorstrom des Jahres 1996. Er hinterließ auf den Bändern der beiden Videosysteme mehr als 1.000 Registrierungen, wobei auch in diesem Fall keine Parallelbeobachtung möglich war.


Abbildungen 6a und 6b: Aktivitätsprofile der Perseiden und Leoniden, abgeleitet aus weltweiten Beobachtungen des Jahres 1996. Das spitze Vormaximum der Perseiden bei einer solaren Länge von 139,66 Grad (12.08.96, 1:00 UT) tritt deutlich hervor. Im Gegensatz dazu zeigen die Leoniden ein größeres Plateau konstanter Aktivität im Maximum. Lediglich bei 235,38 Grad (17.11.96, 5:00 UT) ist ein kurzzeitiges Peak registriert worden. Die Beobachter des AKM leisteten einen wesentlichen Beitrag zu diesen Graphen.

[Abbildungen 6a und 6b]
Auf Teneriffa konnten zwei weitere AKM-Mitglieder zusammen mit spanischen Meteorbeobachtern die Geminiden verfolgen. Aufgrund des besseren Wetters ließ sich hier nicht nur das Maximum, sondern der gesamte Verlauf der Aktivität zwischen dem 10. und 16. Dezember verfolgen.

Zu den Ursiden klarte der Himmel zwar weiträumig auf, jedoch stand der Mond hell am Himmel und die Nachttemperaturen sanken unter die -10 Grad Marke. Nur ein Beobachter wagte sich bei diesen Bedingungen in die Kälte. Die Aktivität erreichte ein normales Niveau mit Zenitraten von 10 Meteoren pro Stunde, lediglich in den zwei mondfreien Morgenstunden des 22. Dezember erreichte sie Werte bis zu 30.

Zusammenfassung und Ausblick

1996 war ein weiteres erfolgreiches Jahr für die Amateurastronomen im Arbeitskreis Meteore, die sich seit der Vereinsgründung 1978 der Beobachtung von Sternschnuppen verschrieben haben. Die astronomischen Bedingungen waren optimal und auch das häufig schlechte Wetter bremste den Elan der Beobachter nur teilweise.


Tabelle 1: Die zehn aktivsten Meteorbeobachter im AKM 1996

Beobachter       eff. Beobachtungszeit     Meteore
--------------------------------------------------
Jürgen Rendtel            166.0 h            3263
Rainer Arlt                31.8 h             881
Ralf Koschack              27.1 h            1171
Janko Richter              26.2 h             153
Sirko Molau                24.0 h            1064
Andreas Rendtel            17.3 h             857
Ralf Kuschnik              13.5 h             211
Andreas Krawietz           10.5 h             255
Udo Henning                10.1 h             399
Ulrich Sperberg             8.8 h             167


Bis auf die Quadrantiden konnten alle großen und mittleren Meteorströme verfolgt werden. Ein Blick auf die monatliche Verteilung der Beobachtungen zeigt jedoch auch, daß die meisten Beobachter nur in wenigen Monaten aktiv waren. Gerade aus der ersten Hälfte des Jahres liegen nur spärliche Daten vor.


Tabelle 2: Monatliche Verteilung der Meteorbeobachtungen 1996

Monat     eff. Beobachtungszeit   Nächte   beteiligte Beobachter
----------------------------------------------------------------
Januar             12.1 h            7               3
Februar             0.6 h            1               1
März                3.1 h            2               1
April              47.3 h            9              11
Mai                 8.0 h            5               2
Juni               10.2 h            6               3
Juli               68.2 h            9              12
August            109.0 h           15              12
September          22.0 h            8               3
Oktober            22.7 h           12               2
November           24.5 h            5               9
Dezember           74.0 h           13               7


Neben der visuellen Beobachtung kamen 1996 zum ersten Mal mehrere Videosysteme [14] parallel zum Einsatz. Die fotografische Himmelsüberwachung war vor allem während der großen Meteorströme erfolgreich. Insgesamt liefen die Kameras der sieben am Feuerkugelnetz des AKM Beteiligten über 2500 Stunden. Zusammen mit den Aufnahmen des European Fireball Network und ähnlichen Aktivitäten holländischer Meteorbeobachter ergänzen sie das verfügbare Datenmaterial um Beobachtungen größerer Objekte, die mit der Erde kollidieren.

1997 sind die Bedingungen nicht ganz so optimal, da viele Meteorströme dem Mondlicht zum Opfer fallen. Unsere Aktivitäten werden sich daher schwerpunktmäßig auf die Quadrantiden, Perseiden und Leoniden konzentrieren. Erstere sind wegen der günstigen Mondverhältnisse interessant, die Leoniden wegen des erwarteten weiteren Aktivitätsanstiegs.


Tabelle 3: Wichtige Meteorströme 1997.

Die Koordinaten des Radianten und die Mondphase (z-zunehmend, a-abnehmend) beziehen sich auf das Datum des Maximums.

Strom		   Zeitraum     Maximum    alpha   delta ZHRmax Mondphase
-------------------------------------------------------------------------
Quadrantiden     01.01.-05.01.   03.01.   15h 20m   +49   100       40%
Lyriden          16.04.-25.04.   22.04.   18h 05m   +34    15      100%
eta-Aquariden*   19.04.-28.05.   06.05.   22h 35m   -01    60        0%
Perseiden        17.07.-24.08.   12.08.   03h 05m   +58   110       60% z
Aurigiden        25.08.-05.09.   01.09.   05h 35m   +42    10        0%
Orioniden        02.10.-07.11.   21.10.   06h 20m   +16    20       70% a
Leoniden         14.11.-21.11.   17.11.   10h 10m   +22   >50       90% a
Geminiden        07.12.-17.12.   14.12.   07h 30m   +33   110      100%
Ursiden          17.12.-26.12.   22.12.   14h 30m   +76    10       40% a
*) Der Radiant der eta-Aquariden erreicht in unseren Breiten nur geringe Höhen. Südlich von etwa 20 N ist der Strom gut beobachtbar.


Nicht zu vernachlässigen sind die 'ganz normalen' Beobachtungen abseits der großen Ströme. Gerade weil die geringe Zahl der Meteore viele Beobachter abschreckt, kann man hier besonders wertvolles Datenmaterial gewinnen. Die Zeiträume zwischen den großen Meteorströmen sind bisher kaum untersucht. Es können immer wieder erhöhte Raten auf Grund noch unbekannter Meteorströme auftreten.

Der Arbeitskreis Meteore ist auf die Mitarbeit möglichst vieler Beobachter angewiesen. Wir bieten jedem Amateur die Zusammenarbeit an, sei es als aktives Mitglied unseres Vereins oder als unabhängiger Beobachter, der uns seine Daten zur Auswertung, Archivierung und zur globalen Analyse im Rahmen der Internationalen Meteororganisation zur Verfügung stellt. In unserem Mitteilungsblatt, den Mitteilungen des Arbeitskreises Meteore (MM), werden alle Beobachtungen monatlich publiziert und analysiert. Das Blatt umfaßt zugleich die Ergebnisse der AKM-Feuerkugelkameras, die Auswertung des Datenmaterials der Sektion Halobeobachtung und Berichte zu weiteren atmosphärischen Phänomenen (Leuchtende Nachtwolken, Polarlichter). Für zusätzliche Informationen wende man sich an den Vereinsvorsitzenden des AKM:

      Jürgen Rendtel
      Gontardstr. 11
      14471 Potsdam
      e-Mail: JRendtel@aip.de

Schließlich steht auch schon der Termin unseres nächsten Seminars fest. Wir werden uns vom 21. bis 23. März gemeinsam mit der VdS-Fachgruppe Meteore in Violau treffen. Vor allem Amateure aus dem süddeutschen Raum haben also einen kurzen Anreiseweg. Alle Interessenten sind herzlich eingeladen.

Literatur

[1] Rendtel, J., Arlt, R. und McBeath, A. (1995): "Handbook for Visual Meteor Observers", IMO, Potsdam

[2] Rendtel, J. (1992): "Die Quadrantiden 1992". MM 131, S. 5

[3] Berthold, G. und Rendtel, J. (1996): "Das Seminar des Arbeitskreises Meteore e.V. 1996". SuW 35:11, S. 873

[4] Arlt, R. und Rendtel, J. (1996): "Lyriden 1996 - erste Ergebnisse". MM 21:6, S. 89

[5] Roggemans, P. (1989): "The Perseid Meteor Stream in 1988: A Double Maximum!". WGN, IMO Journal 17:4, S. 127

[6] Roggemans, P., Gyssens, M. und Rendtel, J. (1991): "One-Hour Outburst of the 1991 Perseids Surprises Japanese Observers!". WGN, IMO Journal 19:5, S. 181

[7] Rendtel, J. (1996): "Nach den Perseiden '96 - die letzten neun Jahre". MM 21:11, S. 167

[8] Williams, I.P. und Wu, Z. (1993): "The Perseid meteor stream at the current time". Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 264, S. 980

[9] Molau, S. (1996): "Alpha-Monocerotiden 1995 - der vorhergesagte Ausbruch fand statt!". SuW 35:6, S. 488

[10] Koschny, D. (1996): "Die International Meteor Conference (IMC) 1996 in Apeldoorn". MM 21:10, S. 157

[11] Jenniskens, P.(1996): "Meteor stream activity III. Measurement of the first in a new series of Leonid outbursts". Meteoritics & Planetary Science 31, S. 177

[12] Arlt, R., Rendtel, J. und Brown, P. (1996): "ILW Bulletin 9: Results of the 1996 Leonid Maxi- mum". WGN, IMO Journal 22:6, S. 203

[13] Molau, S. (1996): "Freitag, der 13.: Einmal Rosenhagen und zurück". MM 21:12, S. 189

[14] Molau, S. und Nitschke, M. (1996): "Computer Based Meteor Search - a New Dimension in Video Meteor Observation". WGN, IMO Journal 22:4, S. 115

[15] Molau, S. (1995): "Videobeobachtung von Meteoren [I]". SuW 34:7, S. 554


Stündliche Zenitrate (zenithal hourly rate, ZHR)
Die ZHR stellt ein Maß für die Aktivität eines Meteorstroms dar. Sie gibt an, wieviel Meteore pro Stunde ein 'mittlerer' Beobachter unter folgenden optimalen Bedingungen sehen würde:

Abweichungen von den Idealbedingungen werden durch Korrekturfaktoren kompensiert. Erreicht ein Meteorstrom eine gewisse ZHR nur für einen kurzen Zeitraum <<1 Stunde, spricht man von einer äquivalenten stündlichen Zenitrate (EZHR).


Populationsindex (population index, r)
Der Populationsindex eines Meteorstroms gibt an, wie groß das zahlenmäßige Verhältnis zwischen schwächeren und hellen Meteoren ist. Bei sporadischen Meteore ist r~3. Das heißt, daß in der Helligkeitsklasse m+1 dreimal so viel Meteore auftreten wie in der Helligkeitsklasse m.


Sirko Molau, Rainer Arlt; letzte Änderung: 9. November 1997