Seit nunmehr über zwei Jahren beschäftigt sich ein Team von vier Amateuren an der
Archenhold-Sternwarte Berlin
mit dem Einsatz von Videotechnik in der Meteorbeobachtung. Angeregt durch einen kanadischen Beitrag
auf der International Meteor Conference versuchten wir im Sommer 1992 zum ersten Mal, Meteore mit
der uns damals zur Verfügung stehenden Videotechnik aufzuzeichnen. Nach schnellen Anfangserfolgen begannen
wir, das von uns verwendete System zu verbessern und Alternativen zu prüfen. Nachdem die Zahl der
registrierten aber unverwerteten Meteore schließlich immer größer wurde, arbeiten wir seit letztem Jahr mit
großen Nachdruck an einer computergestützten Auswertung der Videobänder. Vor kurzem wurde ein Hauptteil
des Programmpaketes fertiggestellt. Wir testeten es mit Hilfe der vorhandenen Aufzeichnungen und nahmen
erste weiterführende Untersuchungen an den ausgewerteten Meteoren vor.
Der erste Teil des Beitrags skizziert die nötige Hardware zur Videometeorbeobachtung. Es werden Komponenten
und Aufbau möglicher Videosysteme erläutert und ihre Tauglichkeit bewertet. An Hand unseres Programmpaketes
sollen Probleme der Auswertung von Videobändern diskutiert und mögliche Lösungen vorgestellt
werden.
Im zweiten Teil
werden dann verschiedene Einsatzgebiete der Videotechnik bei der Meteorbeobachtung
behandelt. Auf der Grundlage konkreter Auswertungsergebnisse wird gezeigt, wie universell Videotechnik einsetzbar
ist und welche weiteren Anwendungsmöglichkeiten sich in Zukunft ergeben können.
Jeder Besitzer eines Camcorders hat sicherlich schon einmal probiert, die Kamera gen Himmel zu halten und
zu sehen, ob sich ein einfaches handelsübliches Gerät zu amateurastronomischen Zwecken eignet. Befestigt
man den Camcorder an ein Fernrohr mit genügend großer Öffnung, kommt man schon sehr schnell zu
verblüffenden Ergebnissen: Planetenbilder lassen sich 'in Echtzeit' aufzeichnen, ihre Betrachtung auf dem
Fernseher bringt bei richtig eingestelltem Kontrast oftmals mehr Details zutage als die normale visuelle
Beobachtung. Sternbedeckungen, vor allem streifende Ereignisse, lassen sich mühelos dokumentieren und anschließend
millisekundengenau ausmessen. Sonne und Mond zeigen Details, die das Herz jedes Amateurs höher schlagen
lassen und zum sofortigen tieferen Einstieg in die Materie animieren.
Wie sieht es aber mit der Aufzeichnung des Nachthimmels ohne Fernrohr aus? Schnell wird man erkennen
müssen, daß die Kamera ohne weitere Zusatztechnik hierzu nicht geeignet ist. Betreibt man das Gerät bei
maximalem Zoom, kann man zwar meistens Sterne bis zur 5.Größenklasse sichtbar machen, das Gesichtsfeld
beträgt dann aber nur wenige Grad. Ein größeres Gesichtsfeld erreicht man, indem man das Zoomobjektiv in
den Weitwinkelbereich dreht. Leider reicht dann aber selbst die Lichtstärke der teuersten Camcorder nicht aus,
mehr als nur die allerhellsten Sterne zu zeigen.
Für die Meteorbeobachtung bedeutet das, daß ein Camcorder allein höchstens zur Beobachtung von
Feuerkugeln taugt, man also auch gleich zum Fotoapparat greifen kann. Die Situation ändert sich jedoch schlagartig,
wenn man vor die Kamera eine lichtverstärkende Einheit, einen Bildverstärker, setzt. Unter den professionellen
Meteorastronomen wird dieses Verfahren bereits seit den siebziger Jahren eingesetzt, in der internationalen
Amateurszene gab es erst seit 1986/87 erste Versuche durch japanische und holländische Beobachter. Wir
erhielten die Anregung zur Nutzung eines Bildverstärkers auf der International Meteor Conference 1992 in
Smolenicè. Zwei kanadische Astronomen präsentierten dort ihr Videosystem und warteten mit beeindruckenden
Leistungsmerkmalen und Einsatzmöglichkeiten auf. Kurz nach der Konferenz begannen wir daher, ein
eigenes Videosystem namens MOVIE (Meteor Observation with VIdeo Equipment) zu entwerfen. Was zuerst
wie eine technische Spielerei anmutete, entpuppte sich schon nach der ersten Beobachtungsnacht als
leistungsstarkes System zur Himmelsüberwachung: Binnen 2 Stunden hatten wir bei Mondschein und starker
Quellbewölkung 12 Perseiden aufzeichnen können, was mit der Zahl der parallelen visuellen Sichtungen vergleichbar
war. Wir setzten unser Videosystem fortan bei allen Meteorbeobachtungen ein und konnten im Laufe der
Zeit neben zahlreichen Meteoraufnahmen viele Erfahrungen mit der Videotechnik gewinnen. Anfangsprobleme
wurden behoben und weitere Verbesserungen steigerten den Beobachtungskomfort mit MOVIE. Neben den
eigenen Beobachtungen bemühten wir uns, die Videotechnik auch anderen Meteorbeobachtern nahe zu bringen
und neue Interessenten zu gewinnen. Durch internationale Kontakte und das Studium der vorhandenen Literatur
gelang es, die Parameter unseres Systems mit denen anderer Anlagen zu vergleichen und daraus wichtige
Schlüsse über die Leistungsfähigkeit und Grenzen von Videosystemen generell und speziell unserer MOVIE zu
ziehen.
Als eines der grundlegenden Ergebnisse der letzten Zeit können wir verzeichnen, daß das Interesse an
Videotechnik unter den Meteorbeobachtern nicht zuletzt durch unsere Aktivitäten stark zugenommen hat, wobei
dieser Beobachtungsmethode eine große Zukunft vorhergesagt wird.
Im einfachsten Fall kommt man zur Meteorbeobachtung mit einem Bildverstärker der ersten Generation, einem Fotoobjektiv und einem Camcorder aus. Das Objektiv wird an der Eingangsseite des Bildverstärkers befestigt und bildet den Himmel auf die lichtempfindliche Photokathode ab. Das Bild wird verstärkt und am anderen Ende auf einem kleinen Leuchtschirm dargestellt. Den im Makromodus betriebenen Camcorder bringt man so dicht wie möglich an den Leuchtschirm heran, wobei etwa vorhandene Zusatzoptiken am Bildverstärker entfernt werden müssen. Wichtig ist die Fähigkeit der verwendeten Kamera, die aktuelle Uhrzeit in das Videobild einzublenden, weil damit auf Anhieb alle Probleme der Zeitbestimmung gelöst sind. Abbildung 1 zeigt den Aufbau des beschriebenen Videosystems an Hand einer Prinzipdarstellung unserer MOVIE.
Von dieser allgemeinen Grundstruktur abgesehen, können einzelne Systeme natürlich Unterschiede aufweisen.
So ist bei professionelleren Anlagen die Videokamera von vorn herein fest mit dem Bildverstärker verbunden,
wodurch der Lichtverlust zwischen beiden Teilen minimiert wird. Ein weiterer Vorteil dieser Lösung ist, daß
man sich um die Befestigung der Einzelteile keine Gedanken machen muß. Das eigentliche Problem liegt aber
ganz woanders: Am schwierigsten ist die Beschaffung eines passenden Bildverstärkers, da nicht alle Geräte zur
Meteorbeobachtung geeignet sind.
Wie verschiedene Tests gezeigt haben, sollte die Lichtverstärkung deutlich
über 10.000 liegen und der Leuchtschirm nicht weniger als 20 mm Durchmesser haben. Einstufige Bildverstärker
der ersten Generation, wie sie z.B. in Nachtsichtgeräten der Armee vorkommen, weisen häufig nur Lichtverstärkungen
um 100 auf und sind damit nicht verwendbar. Meistens haben erst dreistufige Bildverstärker die
genannte Mindestleistung, was sich natürlich im Preis dieser Geräte niederschlägt. Unter 3.000 DM ist nach
unseren bisherigen Erfahrungen kaum ein zur Meteorbeobachtung geeigneter Bildverstärker zu erhalten. Wer
noch mehr Geld investieren möchte, dem seien Bildverstärker der zweiten oder dritten Generation, sogenannte
'micro channel plates' (MCP), empfohlen. Sie verbinden eine sehr hohe Lichtverstärkung mit minimalem
Eigenrauschen und, wenn es sich um Nahfokusgerät handelt, mit minimaler Verzeichnung des Gesichtsfeldes.
Schließlich sollten auch professionelle integrierte Kamerasysteme erwähnt werden. Hier kann man sich die
einzelnen Komponenten (Photokathode, Leuchtschirm, CCD-Chip) quasi im Baukastenprinzip zusammenstellen
und damit beste Parameter für die Meteorbeobachtung (spektrale Empfindlichkeit, Lichtverstärkung)
erzielen. Leider ist eine solche Kamera weit außerhalb der finanziellen Möglichkeiten eines normalen Amateurs
angesiedelt - mehrere zehntausend Mark muß man dafür im Moment noch berappen.
In unserem Fall war glücklicher Weise von Anfang an ein dreistufiger Bildverstärker der ersten Generation mit
einer Bildverstärkung > 60.000 und einem Bildschirmdurchmesser von 25 mm an der Archenhold-Sternwarte
verfügbar. Als abbildende Optik verwenden wir im allgemeinen ein 2,8/20mm Weitwinkelobjektiv, als Kamera
dient ein handelsüblicher Camcorder. Zur Befestigung aller Einzelteile wurde uns in der Sternwarte eine
Aluminiumhalterung gebaut, die neben Fassungen für die einzelnen Systemkomponenten einen Stutzen für eine
Montierung besitzt. Die genannten Technik ermöglicht es, ein Gesichtsfeld von 60 Durchmesser aufzuzeichnen
und dabei noch Meteore bis zur 5. und Sterne schwächer als 6.Größenklasse zu erfassen. MOVIE ist also
fast so leistungsfähig wie ein normaler visueller Beobachter! Nimmt man anstatt der Weitwinkeloptik ein
Normal- oder Teleobjektiv, gelang man mühelos in die Regionen teleskopischer Meteorbeobachtung mit
Grenzgrößen um 9 mag bei einem Gesichtsfeld von 10 bis 20 Grad Durchmesser.
Im Vergleich zu anderen Beobachtungsmethoden vereinigt die Videobeobachtung mehrere Vorteile auf sich.
Sie ist im Gegensatz zum visuellen Beobachter völlig frei von subjektiven Einflüssen und erlaubt die
Bestimmung von Meteorkoordinaten mit hoher Präzision und zeitlicher Auflösung. Die Videobeobachtung erlaubt
die exakte Berechnung der Meteorgeschwindigkeit und eine fehlerfreie Stromzuordnung von Meteoren. Im
Gegensatz zur Meteorfofografie ist sie nicht nur auf Feuerkugeln beschränkt, sondern läßt auf Grund der
enormen Zahl an registrierbaren Meteoren sogar die Berechnung von Stromraten zu. Setzt man zwei
Videosysteme gleichzeitig ein, lassen sich Meteorparallaxen in einem Umfang bestimmen, von der jeder
Meteorfotograf nur träumen kann. Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, daß ein Videosystem wie unsere MOVIE für
mehrere Stunden völlig autonom arbeitet und somit parallel zur visuellen Beobachtung betrieben werden kann.
Der einzige Wermutstropfen ist neben den hohen Anschaffungskosten die Abhängigkeit vom elektrischen
Strom, da sowohl Bildverstärker und Camcorder als auch ein möglicher Weise parallel betriebener Videorecorder
mit Monitor und die Montierung ihren Preis fordern. Bei Verwendung eines Stromgenerator steht jedoch
auch dieses Problem nicht der flexiblen Auswahl eines Beobachtungsplatzes im Wege.
Um die Leistungsstärke von Videosystemen noch einmal zu verdeutlichen, seien abschließend ein paar Fakten
aus unserer bisherigen Beobachtungstätigkeit genannt. In einer äußerst 'durchschnittlichen' Nacht ohne
Aktivität größerer Ströme gelang uns Ende Oktober 1992 zum ersten Mal die Aufzeichnung von über 20
Sternschnuppen auf Videobändern. Zu den Quadrantiden 1993 konnten wir in wenigen Stunden sogar über 60
Meteore aufzeichnen, obwohl vom nahen Strommaximum kaum etwas zu spüren war. Unseren größten Erfolg
verbuchten wir schließlich zweifelsohne während der letztjährigen Perseiden: In der Nacht vom 11. zum 12.
August 1993 registrierte MOVIE während der 7 Einsatzstunden im Schwarzwald weit über 300
Sternschnuppen (darunter 2 Feuerkugeln) und stand damit den visuellen Beobachtern kaum nach. Auch in diesem
Jahr konnten zu den Perseiden bei weit schlechteren Bedingungen 200 Meteore im Laufe von 10 Stunden
effektiver Beobachtungszeit erfaßt werden.
Videobeobachtungen verbinden auf beeindruckende Weise die Vorteile von visueller und fotografischer
Meteorbeobachtung und ermöglichen Untersuchungen an Meteoren in einem Umfang, der einen immer wieder
verblüffen läßt.
Bis jetzt wurde nur die nötige Videotechnik zur Aufzeichnung von Meteoren beschrieben, die an sich keine
großen Hindernisse birgt. Hat man erst einmal alle Komponenten eines Videosystems zusammen, kann man
nach Herzenslust Meteore aufzeichnen und faszinierende Videos erstellen. Weitaus komplizierter wird es jedoch,
wenn man erst einmal viele Stunden Videoaufzeichungen des Himmel mit mehr oder weniger vielen
Meteoren gewonnen hat und vor der Frage steht: Wie geht es weiter?
Im einfachsten Fall kann man sich Videorecorder und Fernseher nehmen und auf den Bändern visuell nach
Meteoren Ausschau halten. Man notiert sich zu jeder gefundenen Sternschnuppe die exakte Zeit, schätzt die
Helligkeit ein und nimmt die Stromzuordnung vor. Diese Arbeit ist zwar sehr langwierig, im Gegensatz zur
normalen visuellen Beobachtung kann man jedoch unsichere Ereignisse durch einfaches Replay am Videorecorder
ausschließen. Außerdem ist es gerade im Winter nicht unwichtig, ob man bei Minusgraden nachts in
der Kälte liegt oder sich tagsüber gemütlich in der warmen Stube aufhält und Meteore 'beobachtet'. Auf ähnlich
simple Art lassen sich auch die Meteorkoordinaten genähert bestimmen. Man schaltet den Videorecorder
dazu bei jeder gefundenen Sternschnuppe auf Standbild und überträgt die Position von Hand in eine
gnomonische Sternkarte.
Der eigentliche Vorteil der Videotechnik kommt jedoch erst bei computergestützter Auswertung der Videobänder
zu tragen. Man kann dem Rechner zwei unabhängige Aufgabenkomplexe übertragen: die automatische
Suche von Meteoren auf den Videobändern und die Digitalisierung und Parameterbestimmung der gefundenen
Meteore.
Im Frühjahr 1993 begannen wir uns mit der automatischen Meteorsuche zu beschäftigen. Ein grundlegendes
Prinzip der Suche war schnell gefunden, die Probleme steckten dann jedoch im Detail.
Zur computergestützten Meteorsuche benötigt man einen genügend schnellen PC, wobei nach den bisherigen
Erfahrungen Rechner mit wenigstens 66 MHz Taktrate erforderlich sind. Der Computer muß mit einem
Framegrabber ausgestattet sein, einer Zusatzkarte also, die zur Digitalisierung von Videoaufnahmen dient. Bei
der Suche digitalisiert der Rechner in Echtzeit bis zu 10 Videobilder pro Sekunde und überprüft, ob im aktuellen
Videobild ein helles Objekt existiert, daß im jeweils vorherigen Bild noch nicht vorhanden war. Dazu
berechnet er lediglich die Differenz beider Bilder und hält nach verbliebenen Lichtpunkten Ausschau. Dieser
einfache Algorithmus sorgt dafür, daß alle unbeweglichen Objekte wie Sterne und Planeten ignoriert werden,
da sie von Einzelbild zu Einzelbild keine Veränderungen aufweisen. Auch Satelliten und Flugzeuge bewegen
sich innerhalb von Sekundenbruchteilen nur so wenig im Gesichtsfeld, daß sie praktisch bei der Differenzbildung
verschwinden. Anders ist das bei Meteoren: Sie sind schnell genug, um zwischen zwei aufeinanderfolgenden
Bildern deutlich ihre Position zu verändern. Der Computer kann sie automatisch registrieren und
speichert zum jeweils gefundenen Ereignis die aktuelle Uhrzeit ab.
Das Problem bei dieser Methode ist dem Rauschverhalten unseres Bildverstärkers geschuldet. Bei Verstärkern
der ersten Generation tritt im Zentrum des Gesichtsfeldes ein Elektronenrauschen auf, welches sich ständig in
Form von hellen, punktförmigen Lichtblitzen bemerkbar macht. Diese zeitlich sehr kurzen Lichtpunkte
erreichen bei großer Lichtverstärkung Helligkeiten von Sternen der 2. Größenklasse und lassen das Bildzentrum
deutlich flimmern. Die visuelle Sichtung der Bänder wird vom Rauschen nur gering beeinträchtigt, da man die
laufende Sequenz der Videobilder betrachtet. Auf einem einzelnen Videobild ist die Unterscheidung zwischen
Meteor und Lichtblitz jedoch sowohl für den Menschen als auch für den Computer fast unmöglich.
Um das Problem zu beheben, haben wir eine Vielzahl von zusätzlichen Raffinessen und Tricks in unser Suchprogramm
eingebaut. So wird von jedem Differenzbild ein dynamischer Rauschhintergrund subtrahiert und die
Suche auf längliche Objekte konzentriert. Damit konnte die Empfindlichkeit für schwache Meteore zwar weiter
gesteigert werden, trotzdem ist das Problem noch lange nicht befriedigend gelöst. In der aktuellen Version
digitalisiert das Programm auf einem 66MHz-486er in zwei Durchläufen jeweils 8 halbe Bilder pro Sekunde
und wertet sie in Echtzeit aus. Nach der beschriebenen Differenzbildung und mehreren Zwischenschritten
erfolgt die Suche nach verbliebenen Objekten, wobei im Mittel alle Meteore bis zur ersten Größenklasse automatisch
erkannt werden. Das Programm könnte zwar auch schwächere Sternschnuppen detektieren, die Zahl
der Fehlidentifizierungen auf Grund des Elektronenrauschens steigt dann jedoch schlagartig an.
Da unsere MOVIE Meteore bis zur 5. Größenklasse erfassen kann, würde uns bei Nutzung des Programms in
seiner derzeitigen Form der weitaus größte Teil der Ereignisse verloren gehen. Aus diesem Grunde wurden die
Videobänder bisher visuell gesichtet und der Computer nur zur Auswertung der gefundenen Meteore
eingesetzt. Wir hoffen jedoch, daß bessere Aufnahmetechnik mit einem geringeren Rauschpegel (micro channel
plates) und ein weiter verbesserter Suchalgorithmus in Zukunft dazu führen werden, daß auch Sternschnuppen
der dritten und vierten Größenklasse automatisch registriert werden. Bessere Ergebnisse sind nicht nötig, da
schwächere Meteore zwar noch in einer laufenden Bildsequenz erkannt werden können, auf Videoeinzelbildern
jedoch völlig im Rauschen untergehen und damit generell nicht auswertbar sind.
Es ist sicherlich erwähnenswert, daß uns auch von den wenigen anderen internationalen Videobeobachtergruppen
noch keine automatischen Meteorsuchsysteme bekannt sind.
Die Auswertung der gefundenen Meteore mit Hilfe von Computern ist ein Problem, zu dem es schon seit einiger
Zeit praktikable Lösungen gibt ([1],[2]).
Die Qualität der Auswertesoftware wird dabei wesentlich durch
zwei Parameter bestimmt. Wichtig ist sowohl die erreichte Genauigkeit bei den Meteorparametern als auch die
Effektivität und Geschwindigkeit der Analyse. Während der erste Punkt sicherlich sofort einleuchtet, ist der
zweite nicht so offenkundig. Man muß hierbei bedenken, daß wir es im Gegensatz zur Meteorfotografie nicht
mit einzelnen Meteoraufzeichnungen, sondern mit hunderten Videometeoren zu tun haben. Wenn also alle
erfaßten Meteore ausgewertet werden sollen, darf die Analyse einer einzelnen Sternschnuppe nur wenige Minuten
in Anspruch nehmen.
Die Algorithmen der Auswertung von Videometeoren gleichen weitestgehend bekannten Verfahren aus der
Astrometrie und Photometrie. Als Grundlage liegt in diesem Fall jedoch nicht ein einzelnes Foto sondern eine
ganze Serie von Einzelbildern vor, die zu jedem Meteor digitalisiert werden muß. Abbildung 4 stellt anschaulich
ein Videoeinzelbild dem fertig bearbeiteten Gesamtbild eines Meteors gegenüber. Man erkennt, daß vor
der eigentlichen Parameterbestimmung verschiedene Bildverarbeitungsfunktionen wie Kontraststeigerung und
Hintergrundsubtraktion nötig sind, um die Bildqualität zu erhöhen.
Zur Berechnung der Meteorkoordinaten wird die lineare Position der Sternschnuppe und einer Zahl heller
Sterne in den Bildern benötigt. Die Lage der Sterne kann vom Rechner völlig autonom bestimmt werden. Er
addiert zunächst alle Einzelbilder und subtrahiert die Hintergrundhelligkeit. Im Ergebnisbild sucht er dann
nach hellen Objekten. Deren lineare Position läßt sich theoretisch genauer als ein Pixel bestimmen, indem der
Schwerpunkt des mehrere Bildpunkte umfassenden Sternscheibchens berechnet wird. Für die Position des
Meteors in den einzelnen Bildern läßt sich dieses Verfahren jedoch nicht anwenden, da Sternschnuppen meist
länglich sind und häufig Schweife oder Nachleuchten zeigen. Man positioniert daher manuell ein Fadenkreuz
auf das Zentrum des vergrößerten Meteorbildes und erreicht so Genauigkeiten von etwa einem Pixel.
Zur Umrechnung von linearen Bildpositionen in äquatoriale Koordinaten müssen nun wenigstens 3 der
gefundenen Objekte als Referenzsterne identifiziert werden. Das geschieht in unserem Programm sehr effektiv,
indem der Nutzer einzelne vom Computer gefundene Objekte hellen Sternen in einer vorbereiteten Liste
zuordnet. Der Rechner ermittelt daraufhin provisorisch die Koordinaten und Helligkeit der anderen Sterne,
identifiziert sie automatisch unter Nutzung des PPM-Sternkataloges, und berechnet schließlich über die
Plattenkonstanten die äquatorialen Koordinaten des Meteors. Um größere Fehler durch die starke Verzeichnung
unseres Bildverstärkers zu vermeiden, werden alle linearen Sternpositionen zuvor noch mit einer Korrekturfunktion
bearbeitet. Diese Funktion haben wir ein Mal für die Standardkonfiguration unseres Systems an Hand
von Aufnahmen einer optischen Testwand ermittelt und verwenden sie nun bei allen Koordiantenberechnungen.
Es handelt sich um eine Exponentialfunktion (Abbildung 5) ähnlich den Verzeichnungsfunktionen
von Fisheye-Objektiven, jedoch mit umgekehrtem Vorzeichen.
Die Meteorhelligkeit kann leicht über die Flächenhelligkeit des Meteors und der Referenzsterne ermittelt werden.
Man bildet dazu den Logarithmus über der Helligkeitssumme aller Pixel eines Objektes und kalibriert die
Skala an den bekannten Helligkeiten der Referenzsterne. Hat man zuvor die stark ungleichmäßige
Hintergrundhelligkeit im Gesichtsfeld subtrahiert, dann funktioniert das Verfahren sowohl im Zentrum als auch am
Gesichtsfeldrand ohne größere Fehler. Das ist erstaunlich, da der Bildverstärker in der Bildmitte viel empfindlicher
ist als in den äußeren Regionen. Lediglich sehr helle und dunkle Meteore weisen größere Helligkeitsfehler
auf, was im 'Ausbrennen' des Bildes bzw. im schlechten Signal-zu-Rausch-Verhältnis begründet liegt.
Die Zeit des Meteors kann sekundengenau bestimmt werden, indem man sie einfach von der eingeblendeten
Uhr des Camcorders abliest. Auch die Dauer der Erscheinung bereitet keine größeren Probleme. Bei der in
Europa gebräuchlichen Videonorm werden 50 Videohalbbilder pro Sekunde verwendet, so daß man lediglich
die Einzelbilder zählen muß. Die Meteorgeschwindigkeit folgt direkt aus den ermittelten Koordinaten und der
Meteordauer. Schließlich kann man unter Verwendung spezieller Bildverarbeitungsroutinen aus den digitalisierten
Videoeinzelbildern ein komplettes rauschfreies Gesamtbild des Meteors generieren. Beseitigt man in
diesem Bild mit Hilfe der bereits erwähnten Exponentialfunktion die Verzeichnung und überlagert
verschiedene Meteorbilder einer Nacht, lassen sich auf einfache Weise eindrucksvolle Aktivitätsbilder einzelner
Meteorströme erzeugen (siehe Abbildung 6).
Alle genannten Algorithmen wurden von uns in einem Programmpaket implementiert, daß seit kurzem die exakte Auswertung von Videometeoren ermöglicht. Bei den äquatorialen Meteorkoordinaten werden Genauigkeiten unter 10' erreicht, was im digitalisierten Videobild etwa einem Pixel entspricht. Die Meteorhelligkeit ist genauer als eine halbe Größenklasse bestimmbar, und die Geschwindigkeitswerte weisen nur bei sehr kurzen Meteoren größere Fehler als 2 pro Sekunde auf. Die Software besteht zu einem großen Teil aus optimierten Assemblerroutinen und löst viele Probleme automatisch ohne zusätzliche Eingaben durch den Bediener. Daher dauert die komplette Bearbeitung eines einzelnen Meteors von der Digitalisierung über die Parameterberechnung und Bildgenerierung bis hin zur Speicherung der Daten nur 5 Minuten, was im Vergleich zu anderen Programmlösungen einen ausgezeichneten Wert darstellt. In Zukunft werden weitere Verbesserungen an der Software vorgenommen, um die Genauigkeit weiter zu erhöhen und das ganze Paket hardwareunabhängig zu gestalten. Es wird dann auch anderen Beobachtern zur Verfügung stehen. Die Grenzen für Genauigkeits- und Effektivitätssteigerungen sind bereits jetzt absehbar, und auch in Zukunft wird die Auswertung von Videobändern mit hoher Meteoraktivität trotz Computerunterstützung viele Stunden Arbeit in Anspruch nehmen.
Im nächsten Teil des Beitrages wird gezeigt, welche vielfältigen Untersuchungen an Meteoren sich der Parameterbestimmung anschließen können.