aus: "Mitteilungen des Arbeitskreises Meteore" 20-12 (1995), S.5

Mit modernster Technik den Leoniden entgegen

Bei nur wenigen unserer bisherigen Meteorexpeditionen hatten wir (Sirko Molau und Mirko Nitschke) so viel 'high-tech' dabei - zu den Leoniden 1995 wollten wir es nun aber wissen: Nicht nur daß die im letzten Jahr unter widrigen Umständen beobachtete erhöhte Leonidenaktivität ein kräftiges Strommaximum versprach, im Team mit unseren holländischen Freunden Felix Bettonvil und Marc Neijts wollten wir endlich die ersten Videometeorparallaxen gewinnen. Nachdem uns das Wetter und Murphy bereits im August '94 und Januar '95 einen Strich durch die Rechnung gemacht hatten, mußte es doch einmal klappen!

So machten wir uns hoffnungsvoll nach Hannover auf - einem Ort, der nicht nur in den letzten Wettervorhersagen von Andre Knöfel ganz gut abschnitt, sondern auch durch seine günstige Lage auf halbem Wege zwischen Holland und Berlin einen erträglichen Anreiseweg für uns vier bescherte. Am frühen Abend trafen wir uns in der Unterkunft und planten bei einer leckeren Pizza wo wir beobachten wollten und in welche Richtungen die Kameras zu gucken hätten. Kurze Zeit später trennten wir uns bereits wieder um auf Station zu gehen. Während wir gen Osten fuhren und nach langer Suche eine schöne Waldlichtung auf einem Berg bei Königslutter fanden, ließen sich unsere Kompagnons im Süden nahe Northeim nieder.

Zunächst mußten nun die geografischen Koordinaten durchgegeben werden, um aus der Entfernung der beiden Stationen die zu erwartende Meteorparallaxe berechnen zu können. Da begannen auch schon die Probleme mit der hochgelobten Technik: Statt der Funkgeräte, die im Januar versagt hatten, verließen wir uns dieses Mal auf die kommerzielle Technik, sprich: Mobilfunk. Leider scheiterte auch die, weil unser D-Netz-Betreiber (Namen werden nicht genannt) partout nicht zu erreichen war, obwohl wir fast auf der Spitze des Berges standen. Nach langem Kampf und einigen Wutausbrüchen gelang es schließlich doch noch, eine kurz vor dem Zusammenbruch operierende Verbindung aufzubauen und unsere Position durchzugeben. Der ebenso komplizierte Rückruf nach 15 Minuten ermöglichte gerade die Durchgabe der nötigen Himmelskoordinaten - Sekunden später brach die Verbindung zusammen.

So weit, so gut: Nachdem die Beleuchtung ausgefallen war und einige Rutschübungen auf dem steilen Stück des Hügels mit Bravour bestanden wurden, ging es mit dem Aufbau der Technik voran. Zuerst wurde MOVIE aktiviert. Unser traditionelles Weitwinkelvideosystem schaute in das Wintersechseck und lieferte auf Grund einer verbesserten Justierung des Camcorders ungewöhnlich scharfe Bilder. Einige Zeit später hatte auch der Prototyp VK1 der neuen Kameraserie mit einem kleineren Bildfeld bei größerer Empfindlichkeit seine Arbeit aufgenommen. Er beobachtete unnachgeführt in Abstimmung mit der holländischen Kamera in Richtung Südwesten.

Nun konnte es endlich auch visuell losgehen, immerhin war es schon dreiviertel zwei geworden. Die Aktivität war bei sehr gutem Himmel nicht gerade berauschend. Die Leoniden zeigten zum Zeitpunkt ihres vorhergesagten Maximums etwa die Rate der Orioniden, waren also noch deutlich von den großen Strömen entfernt. Es schienen überdurchschnittlich viel helle Meteore dabei zu sein, auch der Anteil der Schnuppen mit Nachleuchten war wie zu erwarten sehr hoch. Die Leoniden traten auffällig in Gruppen auf: Erst gab es 2 oder 3 Strommeteore in einer Minute, dann war für 10 Minuten überhaupt nichts von ihnen zu sehen. Dieser subjektive Eindruck wird sich auf Grund des geringen Datenmaterials kaum quantitativ verifizieren lassen, eine zukünftige Untersuchung in dieser Richtung ist aber bestimmt lohnend.

Nach etwa einer Stunde war nicht nur die sprechende Uhr ausgefallen, die visuelle Beobachtung mußte auf Grund aufziehender Cirren völlig abgebrochen werden. So konnten wir in der Folgezeit zwar noch ein 22°-Halo am aufgehenden Mond notieren und die Videosysteme arbeiteten bei teilweise bedecktem Himmel weiter, sinnvoll visuell beobachten ließ sich aber nicht mehr.

Nach langem Warten und Rücksprache mit der zweiten Station, wo die Wolken erst eine Stunde später zu stören begannen, gaben wir um fünf Uhr endgültig auf. Wir packten alles zusammen und fuhren zurück nach Hannover, wobei wir bei besser werdendem Himmel noch 5 oder 6 helle Leoniden in Fahrtrichtung erspähen konnten. Sollte das Maximum gerade jetzt aufgetreten sein? Unsere Nachfrage am kommenden Abend ersparte uns wenigstens diesen Kummer.

In der darauffolgenden Nacht war schließlich alles zu spät - als einzige Tätigkeit wäre das Auffangen der reichlich herabfallenden Regentropfen zum Sammeln von Mikrometeoriten in Frage gekommen.

Fazit der Expedition: Wenn sich Felix bei den Beobachtungsrichtungen der Kameras nicht verrechnet hat (bei einer Basislänge von 90 km und einem Gesichtsfeld von 20 Grad muß man schon sehr genau planen), dann könnte es dieses Mal geklappt haben. Zwar zeigte eine erste Kontrolle der Bänder viel weniger Meteore als die Orionidenaufnahmen 4 Wochen zuvor, aber wenigstens eine Handvoll Schnuppen wird uns wohl parallel ins Netz gegangen sein. Hoffentlich!


Sirko Molau; letzte Änderung: 20.November 1995