Vor zwei Jahren nahm ich anhand visueller Beobachtungen verschiedene Untersuchungen zu
Meteorhäufungen vor und veröffentlichte das Ergebnis später in MM [1].Die Resultate der
damaligen Analyse war ziemlich eindeutig: Über einen längeren Beobachtungszeitraum im
August 1992 konnten bei 3 visuellen Beobachtern, die auf Grund computergestützter Meteorbeobachtung
minimale Eintragszeiten für Meteore besaßen, keine Häufungseffekte
nachgewiesen werden. Lediglich zu Zeiten des direkten Perseidenmaximums ließ sich die Frage nicht
sicher entscheiden, da das Beobachtungsmaterial aus diesem Zeitraum unzureichend war.
Mittlerweile liegt mir nicht nur neues Beobachtungsmaterial vor, unser Beobachterteam konnte
mit der Videobeobachtung in der letzten Zeit zusätzlich ein noch genaueres Beobachtungsverfahren
nutzen (in [2] und [3] ist die
verwendete Technik beschrieben, in Kürze folgen auch
Artikel in MM und SuW). Der Vorteil bei der Auswertung von Videobändern liegt in der
hohen zeitlichen Auflösung, die keine andere Beobachtungsmethode liefert. Selbst mehrere
Meteore im Abstand weniger Sekunden können mit Videosystemen fehlerfrei erfaßt und
ausgewertet werden. Ich habe daher die Daten unserer MOVIE vom 11/12. August 1993 zum
Gegenstand einer erneuten Suche nach Meteorclustern gemacht.
Wie bereits in [1] gezeigt wurde, müssen zufällig und ohne Häufungen im Raum verteilte
Meteoroide auf der Erde in zeitlichen Abständen beobachtet werden, die einer Exponentialverteilung
folgen. Es ist also bei bekannter Meteoraktivität theoretisch berechenbar, wie viele
Meteore sehr dicht aufeinanderfolgen müssen und wie häufig große zeitliche Abstände zwischen
zwei Meteoren sind.
Grundsätzliche Voraussetzung einer solchen Exponentialverteilung ist neben der
Nachwirkungsfreiheit (es dürfen keine 'künstlichen' Häufungen vorhanden sein) die Tatsache, daß
niemals zwei Ereignisse (Meteore) exakt gleichzeitig auftreten dürfen. Außerdem muß die
Wahrscheinlichkeit zum Auftreten eines Ereignisses (Meteorrate) im gesamten Zeitraum konstant
sein. Während man die Gleichzeitigkeit von Meteoren nahezu ausschließen kann, gibt es mit
der konstanten Wahrscheinlichkeit einige Probleme. Im Gegensatz zum Beobachtungsmaterial
1992, wo wir weit ab vom eigentlichen Perseidenmaximum beobachteten, stammen die
verwendeten Videodaten dieser Untersuchung direkt aus der Maximumsnacht der Perseiden '93,
in der bekanntlich starke Zenitratenänderungen registriert wurden. Während die ZHR am
Anfang ungefähr bei 100 lag, stieg sie in den Morgenstunden rasch auf Werte über 300 an. Die
klassische Form der Exponentialverteilung, deren einziger freier Parameter lambda durch die mittlere
Anzahl von Ereignissen pro Zeiteinheit festgelegt wird, ist also nicht anwendbar.
Ein Ausweg war jedoch schnell gefunden: Wenn man die Meteorrate zu jedem beliebigen
Zeitpunkt kennt, läßt sich der zeitliche Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Meteoren
sehr einfach modifizieren und eine konstante Meteorrate vortäuschen. Wie eine Simulation (*) am
Rechner gezeigt hat, muß dazu lediglich der jeweilige Zeitabstand mit der realen Meteorrate
multipliziert und durch die 'gewünschte' konstante Rate lambda dividiert werden. Im Ergebnis erhält
man eine Verteilung der Meteorabstände, die wieder einer normalen Exponentialverteilung
(wenn es auf Grund der Nachwirkungsfreiheit keine Cluster gibt) mit bekanntem Wert lambda
gehorchen muß:
F(x<t) = 1 - e exp(-(lambda*t)), dist(korr) = dist(real) * HR(real) / HR(const)
F(x<t) beschreibt die Zahl der Meteore, die in einem zeitlichen Abstand kleiner t auftreten,
dist(korr) ist der auf eine konstante Meteorrate korrigierte Abstand zwischen zwei Meteoren.
Bei der Untersuchung der Videobeobachtungen am 11/12. August 1993 wurden alle
aufgezeichneten Meteore herangezogen. Das vermied einerseits Fehler durch falsche
Stromzuordnungen von Meteoren, andererseits war die Zahl der Nicht-Perseiden ohnehin verschwindend
klein. Zunächst wurde die Meteorrate in gleitenden Halbstundenintervallen bestimmt
(Diagramm 1). Hierbei ist zu beachten, daß es sich nicht um Zenitraten der Perseiden handelt,
da keinerlei Korrektur für Grenzgröße, Zenitabstand des Radianten, Wolken usw. eingeführt
wurde. Die berechnete Kurve spiegelt lediglich die mittlere Anzahl von Videometeoren pro
Stunde wieder.
Im nächsten Schritt wurden die zeitlichen Abstände zwischen jeweils aufeinanderfolgenden Meteoren ermittelt und auf die beschriebene Art mit der aktuellen Meteorrate auf einen konstanten Wert von 50 Meteoren pro Stunde korrigiert, was etwa der wahren mittleren Rate in der Nacht entsprach. Insgesamt konnten so 337 Meteorabstände aus 6,52h Beobachtungszeit gewonnen werden. Schließlich wurden wie bei der letzten Auswertung Intervalle von 20 Sekunden Dauer eingeführt (0s-19s, 20s-39s, 40s-59s,...) und die Anzahl der Meteorpaare, die in die entsprechenden Klassen fallen, ermittelt. Während Diagramm 2 noch einmal das Ergebnis der Auswertung unser visuellen Beobachtungen 1992 zeigt, präsentiert Diagramm 3 das neue Ergebnis.
Wie man sieht, lassen sich auch die '93er Videobeobachtungen ausgezeichnet mit einer
Exponentialverteilung beschreiben, die Bedingung der Nachwirkungsfreiheit von Ereignissen war
gegeben. Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Meteors war unabhängig von zuvor
aufgeleuchteten Sternschnuppen und es traten damit auch zum Maximum der Perseiden definitiv
keine Häufungseffekte auf dieser Zeitskala auf. Der 1992 bemerkte seltsame Effekt von
Meteorhäufungen nach etwa 2,5 Minuten war nicht nachzuvollziehen. Es handelte sich dabei
wie bereits früher vermutet um subjektive Einflüsse der visuellen Beobachter.
Soll das aber nun heißen, daß die schöne Theorie von Meteorclustern endgültig widerlegt ist
und ad acta gelegt werden kann? Es würde sich hier ja nicht um 'Murphy's Effekt' handeln,
wenn man so schnell zu einer eindeutigen Lösung käme...
Das Problem besteht in den großen Zeitintervallen: Bei der ersten Untersuchung mußten auf
Grund der begrenzten Eintragsgeschwindigkeit visueller Meteorbeobachter Intervalle von 20
Sekunden Länge gewählt werden. Die Videotechnik ermöglicht im Gegensatz dazu jedoch
sekundengenaue Zeitmessungen ohne Ausfallzeiten. Wir können mit ihr nach Häufungen auf
viel kürzeren Zeitskalen suchen, die bei 20s-Intervallen bereits völlig verwischt sein könnten.
In einem zweiten Ansatz wurden daher Intervalle von 1s Länge zugrunde gelegt und erneut die
Verteilung der 337 Meteorpaare untersucht. Im Gegensatz zur vorherigen Analyse wurden die
Intervalle kumulativ berechnet (0s-1s, 0s-2s, 0s-3s,...). Damit erreicht man größere
Meteorzahlen in jeder Klasse und minimiert statistische Schwankungen. Die Untersuchung
berücksichtigte Meteorabstände bis zu 6 Minuten, auch wenn im Diagramm 4 nur der interessante
erste Abschnitt mit Abständen bis 120s dargestellt ist.
Das Ergebnis ist beeindruckend: Wieder schmiegen sich theoretische und beobachtete Verteilung
zunächst im ganzen Definitionsbereich eng aneinander und zeugen von der Abwesenheit
jeglicher Meteorhäufungen. Nimmt man jedoch den ersten Abschnitt im Diagramm 4 (bis 12s
Abstand) genauer unter die Lupe, tritt ein interessanter Effekt zutage. Hier liegen die beobachteten
Meteorabstände durchweg über den theoretischen Werten, während bei größeren Werten
mal die eine und mal die andere Kurve dominiert. Um dieses Resultat deutlicher zu machen,
wurden im selben Diagramm die jeweiligen prozentualen Abweichungen zwischen Beobachtung
und Theorie eingetragen. Besonders im ersten Intervall (0s-1s) ist der Überschuß mit fast
60 Prozent beachtlich. Erst bei Meteorabständen von mehr als 12 Sekunden stimmen Theorie
und Beobachtung wieder gut überein.
Ist dies der Nachweis, daß schwache Meteorhäufungen doch vorhanden sind, wenn auch auf
viel kürzeren Zeitskalen? Ein Beweis ist es leider noch nicht, zumindest jedoch ein deutliches
Indiz dafür. Der Grund ist beim immer noch unzureichenden Beobachtungsmaterial verbunden
mit möglichen Restfehlern in der Auswertung zu suchen. Wie Tabelle 1 zeigt, beruht gerade
der interessante Teil vom Diagramm 4 auf sehr wenigen Beobachtungen. 57% Überschuß
bedeuten lediglich, daß 11 anstatt von 7 erwarteten Meteorpaaren innerhalb einer Sekunde
auftraten. Die Unsicherheit auf Grund kleiner Zahlen ist also sehr hoch. Zusätzlich beträgt die
zeitliche Auflösung der Videobeobachtungen generell nur eine Sekunde, es sind also bei einzelnen
Ereignissen durchaus Zeitbestimmungsfehler bis zu einer Sekunde möglich. Schließlich
darf nicht vergessen werden, daß alle zeitlichen Abstände zuvor auf eine konstante Meteorrate
umgerechnet wurden, wobei die reale Rate natürlich nur genähert bekannt war. Auch von dieser
Seite konnten also Fehler in die Auswertung einfließen.
Tabelle 1:
------------------------------------------------------------------------------
Abstand |
zwischen 2 | 1s 2s 3s 4s 5s 6s 7s 8s 9s 10s 11s 12s 13s
Meteoren |
------------------------------------------------------------------------------
beobachtete
Anzahl | 11 14 21 21 25 34 34 41 47 49 54 57 57
------------------------------------------------------------------------------
theoretische
Anzahl | 7,0 11,6 16,1 20,5 24,9 29,3 33,5 37,8 41,9 46,0 50,0 54,0 57,9
------------------------------------------------------------------------------
Abweichung |+57% +21% +30% +2% +0% +16% +1% +8% +12% +7% +8% +6% -2%
------------------------------------------------------------------------------
Abschließend bleibt zu bemerken, daß sich die Videobeobachtung generell ausgezeichnet zur Untersuchung von Meteorhäufungen eignet, wie diese erste Analyse beweist. Sie liefert genauere Ergebnisse als visuelle Beobachtungsmethoden und ermöglicht detailliertere Untersuchungen an Abstandsverteilungen. Sobald umfangreicheres Datenmaterial vorliegt, werden weitere Untersuchungen folgen, die dann hoffentlich auch auf Sekundenniveau eindeutiger Aussagen zu Meteorhäufungen zulassen.